Samuel Treindl im Interview mit der LVM-Kulturwelt

Anfang September beteiligte sich die LVM nach pandemiebedingter Pause wieder beim Schauraum, dem Fest der Museen und Galerien in Münster. Weit mehr als 1.500 Gäste haben die Gelegenheit genutzt, sich durch eine Auswahl von Kunstwerken aus der Kunstsammlung LVM führen zu lassen und dem diesjährigen Gastkünstler Samuel Treindl an der von ihm eingerichteten Biegestelle Kolde-Ring über die Schulter zu schauen. Das Projekt ist Teil seiner künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit. Im Oktober kamen wir mit dem Künstler persönlich ins Gespräch.

  • Du hast Dich zunächst für die Ausbildung zum Drechsler, also für einen handwerklichen Beruf entschieden. Welcher Weg hat Dich zur Kunst geführt?

Samuel Treindl: Handwerkliche Techniken stellen an sich eine gute Basis für Bildhauerisches Arbeiten dar. Ich habe dann begonnen, konzeptionell zu arbeiten, aber das Machen war immer wichtiger Teil meiner Arbeiten. Das handwerkliche Können erweitert die Möglichkeiten der Realisierung der Kunstprojekte enorm. Ich arbeite gerne mit gut handwerklich ausgebildeten Menschen zusammen, da mich die Grenzen des Machbaren interessieren Das ist immer Teil meiner Arbeitsweise gewesen.

  • Du setzt Dich künstlerisch mit Prozessen der Produktion, der Materialforschung und der Transformation auseinander. Die Wieder- bzw. Neuverwertung von Materialien spielt eine immer größere Rolle in Deinem künstlerischen Wirken. Reagierst Du damit auf die steigende gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik und deren Dringlichkeit?

Dass diese gesellschaftlichen Fragestellungen aktuell an Bedeutung sehr gewonnen haben, ist wichtig und macht die kritische Lage noch einmal stärker bewusst. Aber in meinem Werk spielt das Thema der Produktion und Transformation seit Beginn eine wesentliche Rolle und zählt zu meinem künstlerischen Selbstverständnis dazu. Die Frage nach den Handlungsweisen und der Erforschung der Materialien stellt für mich ein riesengroßes Spektrum dar. Alle Dinge sind Material, wurden produziert, verarbeitet, können aber auch weiterverarbeitet werden und damit transformiert werden zu Neuem. Dieser Prozess ist sozusagen nie abgeschlossen.

  • Wie sind die Reaktionen der Kunstinteressierten auf Deine Kunstwerke, die nicht nur schön sind und das auch nicht sein wollen? Verspürst Du eine stärkere Akzeptanz Deiner Kunstwerke in diesen krisenbestimmten Zeiten, in denen der Nachhaltigkeit zum Schutz des Klimas eine immense Aufmerksamkeit gewidmet werden muss?

Das Gedachte, die Theorie ist immer Teil meiner Kunst und ich selbst jongliere immer auch zwischen eigenen Ansprüchen und dem Ziel der künstlerischen Erweiterung. Der Nimmersatt-Tisch zum Beispiel stand in der Ausstellung im LWL Museum für Kunst und Kultur und auf ihm ein ganzer Stapel Fachbücher, ein ganzer Stapel voller Theorie. Alle haben das Thema Nachhaltigkeit theoretisch im Kopf, aber wie sieht eine Welt mit geänderter Vorstellung denn tatsächlich aus? Das soll jetzt nicht so bedeutungsschwer daher kommen, aber genau das steckt hinter den Nimmersatt-Objekten und der Anarchistischen Produktion. Ich selbst musste fast gegen eigene Regeln verstoßen und habe z. B. für die farbige Behandlung des Holzes eine Lasurtechnik eingesetzt und so die Schichtung und Farbigkeit des wieder verwendeten Materials zu einer Collage verarbeitet.

  • Wie hast Du den Schauraum 2022 bei der LVM und die Biegestelle Kolde-Ring erlebt? Es war eine Ausnahmesituation, dass Dir während des Kunstprozesses zugeschaut werden durfte – oder stimmt das gar nicht? Bist Du bei Deiner Arbeit gern im unmittelbaren Austausch mit Kunstinteressierten?

Als Künstler arbeite ich häufig in offenen Prozessen und im Austausch. Das besondere war ja, dass mit der Biegestelle, die selbst eine Skulptur ist, mitgebrachte Objekte zu Biegestücken transformiert wurden. Es geht um die Qualität der Objekte als Skulptur. Die Biegestelle ist ein Projekt in der Bildhauerei, in dem der Prozess des Entstehens von Kunst bearbeitet wird, das Entzwecken von originalen Objekten mit persönlicher Geschichte und die anschließende Zertifizierung der neu entstandenen Skulptur. Das schöne ist, man weiß nie was passiert, welche Gegenstände mitgebracht werden. Beim Schauraum am 3.9.2022 gab es optimale Bedingungen, viele mitgebrachte Gegenstände von ganz klein bis ziemlich groß, die mir zur Transformation übergeben wurden. Alle hatten großes Interesse, wir kamen kaum nach mit der Arbeit. Überhaupt war die ganze Stimmung großartig. Die Prozesse wurden dabei kontinuierlich durch die Kunstführungen begleitet und erläutert, das war ideal. Die entstandenen Biegestücke wurden zudem auf Sockeln präsentiert – das Publikum konnte beobachten, wie jedes Ding an einer bestimmten Stelle eine neue Richtung nimmt….

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